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Aufnahmen vom April 2013.
Der Auslöser: ein Artikel in der Berliner Zeitung „Frühlingsboten: Adonisröschen blühen“. Die Adonisröschen zu inspizieren plant H schon seit Jahren. Und dieses Jahr tun wir es. Ins Auto gesetzt und auf der alten Reichsstraße 1 (jetzt B1) von Berlin Richtung Osten.
Die nimmt — noch im Berliner Stadtgebiet — alle Nasen lang einen neuen Namen an, nämlich den der Dörfer, die hier einst lagen, ehe sie von der Stadt aufgesogen wurden: Alt-Biesdorf, Alt-Kaulsdorf, Alt-Mahlsdorf. Der Dorfanger noch mehr oder weniger erkennbar, die Dorfkirche vorhanden. Von der Grenze nach Brandenburg an heißt die B1 „Frankfurter Chaussee“. Die ersten „Dörfer“ in Brandenburg wirken immer noch vorstädtisch: Rüdersdorf, dann Herzfelde. Dort erster Halt, angesichts dieser fabelhaften Dorfkirche:
Herzfelde gehörte seit etwa 1230 dem Kloster Zinna. Diesen Typus Dorfkirche mit dem breiten querrechteckigen Turm findet man in der früheren Mark Brandenburg (einschließlich der heute zu Sachsen-Anhalt gehörigen Altmark) häufig: bauten die Mönche sie gewissermaßen in Serie, im Zuge der Erschließung des Landes, die gerade auch die Zisterzienser wie in Zinna betrieben? Ich stelle mir klostereigene mobile Bauhütten vor, die über Land zogen und eine Kirche nach der anderen erstellten. Hier jedenfalls fällt der Bau offenbar in die 1230er oder 40er Jahre.
Hinein kommt man (natürlich) nicht. Auf dem Kirchhof hat nur ein Grabstein überlebt.
Immerhin. Von nun an wird es ländlich-leer: in Brandenburg will ja keiner mehr auf dem Land wohnen, das ganze Bundesland hat eine Million weniger Einwohner als Berlin. Leere (komplett) auch auf Kirchhöfen wie dem in Arensdorf — wo sind denn die Gräber eigentlich hin? Dafür abertausende blühende (und kollektiv durchaus stark duftende) Veilchen im Gras.
Sieht zwar übrigens ein bißchen ähnlich aus wie in Herzfelde, ist aber insoweit Imitat. Auch wohl etliche Jahrzehnte jünger: zweite Hälfte 13. Jahrhundert meint das Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, die Internetseite der Gemeinde glaubt sogar nur ans erste Viertel des 14. Mönche waren hier keine zuständig, sondern ein weltlicher Gutsherr. Im 18. Jahrhundert wurden die Fenster vergrößert und die Sakristei an der Südseite angebaut, diese wieder 1887 mit dem „gotischen“ Giebel und zweifellos auch dem stilistisch verwirrenden Doppelfenster versehen, offenbar um sie mittelalterlicher wirken zu lassen.
Das Obergeschoß des Turms nennt das Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler „spätgotisch“, der Dachreiter sei 1887 hinzugefügt. Die Fenster sind aber die gleichen wie das der Sakristei und eher wohl ebenfalls wilhelminisch. (Oder sind die Turmfenster wirklich alt und das an der Sakristei ihnen nachempfunden? Denn warum hätte man sonst 1887 nicht die viel „gotischeren“ Spitzbögen gewählt?) (Oder hielt man etwa die Kirche für romanisch — was sie nicht ist — und die hier sichtbare spitzbogige Westtür und die drei Lanzettfenster der Ostwand für nachträgliche Umbauten?)
Das Ende der Straße, erreicht in Lebus. (Korrekte Aussprache: lebbUHS.)
Hier der Blick in die andere Richtung:
Der heutige Grenzort nach Polen (auf der anderen Oderseite) nennt sich tatsächlich „Stadt“, hat aber bessere Zeiten gesehen. Um 1000 gehört Lebus zum neuen Herzogtum Polen der Dynastie der Piasten: dessen (und deren) Begründer Mieszko oder sein Sohn Boleslaw lassen die lange aufgegebene Slawenburg auf dem Schloßberg wiederherstellen. Herzog Boleslaw Schiefmund (ich hab den Namen nicht erfunden…) gründet hier 1125 ein Bistum, die neue Domkirche auf dem Schloßberg ist dem heiligen Adalbert geweiht. Doch nachdem Herzog Boleslaw 1138 gestorben ist, zerfällt Polen in Teilfürstentümer, die sich gegenseitig schwächen. Lebus gehört dem schlesischen Zweig der Piasten, Herzog Heinrich von Schlesien verleiht dem Ort spätestens 1226 Stadtrecht. 1250 aber setzen sich die Brandenburger Markgrafen (Johann und Otto, die gemeinsam herrschen) und der Erzbischof von Magdeburg in den Besitz der Gegend, die sie anscheinend dann teilen: der Erzbischof bekommt Lebus, die Brüder das unweit flußaufwärts gelegene Frankfurt, dem sie — vermutlich in bewußter Konkurrenz zu Lebus — ihrerseits 1253 Stadtrecht verleihen. Gleichzeitig steigt in diesen Jahren (behauptet zumindest Wikipedia) der Wasserspiegel der Ostsee und damit der Oder. Das begünstigt Frankfurt, weil hier das Odertal schmal und der Fluß am leichtesten zu passieren ist, Fernhändler zieht es nun dorthin (der Name der Stadt war vermutlich auch Programm). Mit Lebus geht es allmählich bergab… Nach dem Aussterben der askanischen Markgrafen brechen in der Mark unruhige Zeiten an. Kaiser Karl IV. kauft sie 1373 den Wittelsbachern ab und nimmt sie in Besitz. Dazu bedarf es militärischer Anstrengungen, in deren Zuge kaiserliche Truppen Lebus verwüsten. Das Domkapitel nimmt das zum Anlaß, den Bistumssitz nach Fürstenwalde zu verlegen. Der Dom dort ist ein seltsamerweise heute zwar wenig bekanntes, aber imposantes Bauwerk, auf dem Schloß- und Domberg zu Lebus dagegen sehen Sie, wie Sie sehen, nichts mehr. Auf Ansichten des 17. und 18. Jahrhunderts steht dort noch manches, so vor allem drei Gebilde, die nach mächtigen Türmen aussehen, aber 1765 wird alles niedergelegt. Ganz schlimm kommt es dann in den ersten Monaten des Jahres 1945, als die Sowjets zur Vorbereitung ihres Vormarsches auf Berlin auf der gegenüberliegenden Oderseite einen Brückenkopf errichten. (Anmerkung an die Mitreisenden: es gab, entgegen unserer Vermutung, in Lebus nie eine Oderbrücke, außer zeitweilig damals. Die Pfeiler, die wir etwas flußaufwärts sahen, könnten zu dieser von den Sowjets errichteten Behelfsbrücke gehört haben.) Damals muß hier die Hölle los gewesen sein; seither ist nicht nur die Kirche nur noch halb da, sondern wohl der Ort insgesamt.
Doch wir sind ja noch nicht am Ziel der Expedition. Die Beschilderung ist als gut zu bezeichnen:
Man folge dem Fluß stromaufwärts.
Die Uferböschungen sind stellenweise erstaunlich hoch und steil. Botaniker sprechen von „pontischen“ Hängen.
„Pontisch bedeutet „Zum Schwarzen Meer gehörig“ (von griech.: Pontos Euxeinos, griech.-lat.: Pontus Euxinus) und bezieht sich insbesondere auf:
- …
- das pontische Florenelement (nördlich des Schwarzen Meeres und weiter nach Osten ziehend)
- …
Der Begriff „pontisch“ ist insofern irreführend, als er sich von dem allgemeinen Begriff Pontos, griech. für Meer ableitet. Der Bestimmungsbegriff für das Schwarze Meer ist im Griechischen Euxeinos mit der eigentlichen Bedeutung gastlich. Genau genommen ist die Bedeutung von pontisch also meerisch bzw. am Meer liegend, zum Meer gehörig. Die Einengung der Bedeutung von Pontos auf das Schwarze Meer nahm jedoch bereits in der Antike ihren Ausgang, vgl. Pontus.“ (Wikipedia)
Ha!
„Das Frühlings-Adonisröschen oder Frühlings-Adonis (Adonis vernalis) ist eine Pflanzenart aus der Gattung der Adonisröschen (Adonis) in der Familie der Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae)….Das Frühlings-Adonisröschen stammt ursprünglich aus Sibirien und dem Altai. Es ist auch auf Trocken- und Steppenrasen sowie in Kiefernwäldern in Europa und in West-Sibirien zu finden. Das Arealzentrum ist westasiatisch-südsibirisch-pontisch-pannonisch. Hauptvorkommen sind Trocken- und Halbtrockenrasen (Assoziation Pyrolo-Pinetum Meus. 1952); Nebenvorkommen sind Staudensäume trockenwarmer Standorte. Es ist Kennart der pflanzensoziologischen Assoziation Adonido-Brachypodietum Krausch 1959. Die Einwanderung des Frühlings-Adonisröschen nach Mitteleuropa erfolgte erst am Ende der letzten Eiszeit, der Weichseleiszeit. Durch die Tätigkeit der Menschen, Waldrodung und Schafzucht wurden neue Standorte für das Frühlings-Adonisröschen geschaffen. Verbuschung, Wiederbewaldung und der Ackerbau drängten diese Art in Mitteleuropa auf ihre heutigen Reliktvorkommen zurück. Alle drei zuletzt genannten Faktoren gefährden auch weiterhin diese mitteleuropäischen Standorte, die ohne Landschaftspflegemaßnahmen auch nicht erhalten bleiben würden. In Deutschland kommt das anspruchsvolle Frühlings-Adonisröschen als westlicher Vorposten vor allem in den neuen Bundesländern vor; dort in trockenen Gegenden wie in Brandenburg – wobei das Frühlings-Adonisröschen immer nur lokal verbreitet ist. Nördlich von Frankfurt/Oder gibt es einige Standorte, beispielsweise am Steilhang der Oder bei Lebus.“ (Wikipedia)
Rückmarsch.
Hier am Oderufer möchte man kein Baum sein, es sei denn einer, den Bieber nicht mögen:
Diese Grenzpfähle (oben) sind übrigens billiges Plastik.
Letzter Blick auf Lebus. „Tel. 255“ ist doch einfach idyllisch. Ob die Nummer eigentlich noch stimmt?