Als Klavierschüler ehrgeizig, aber nie wirklich gut, geriet ich eher durch Zufall als 16jähriger Austauschschüler in USA an die Orgel — und leider zu kurz. Die 1927 für Phillips Academy, Andover (Massachusetts) geschaffene Orgel der Firma Casavant Frères (St-Hyacinthe, Québec), für die Schulaula gebaut und von Louis Vierne eingeweiht, wurde in die neue Schulkirche (Innenansicht hier) versetzt, nachdem die Weltwirtschaftskrise die geplante Anschaffung einer weiteren Orgel vereitelte. Später ließ man das dem Zeitgeschmack nicht mehr entsprechende Instrument verfallen. Die Schulorganistin, Carolyn Skelton, konnte das herabgewirtschaftete spätromantische Ungetüm nicht leiden und wollte es loswerden — was ihr einige Jahre später auch gelang: ersetzt wurde es durch eine eher neobarock inspirierte, viel kleinere neue Orgel (27/II+P). Doch meinen (einzigen) Orgelunterricht bekam ich 1978 von ihr noch auf dem Casavant-Giganten, der erfreulicherweise, nachdem ihn lange niemand haben wollte, nun ein neues Heim in Minnesota gefunden hat, mit neuem Prospekt (der alte blieb in Andover und wurde wiederverwendet). Von den über hundert Stimmen der Casavant-Orgel (auf vier Manualen und Pedal) funktionierten zwar seinerzeit nurmehr vielleicht zwei Drittel, aber auch damit ließ sich noch ein mehr oder minder erhebender Lärm veranstalten.
Zurück in Deutschland bot sich keine Möglichkeit, das Orgelspiel fortzusetzen, schließlich wandte ich mich von Klaviaturen aller Art endgültig ab. Schon weil ich wußte, ich würde unweigerlich zuviel Zeit daran verbringen. Die Anschaffung eines elektronischen Keyboards vor wenigen Jahren führte denn auch genau dazu. Und zu weiteren Anschaffungen. Das Tolle ist, man braucht heute zum Orgelspielen ja keine Kirche mehr. Es gibt Hauptwerk (die Software). Der Klang real existierender Orgeln wird, sehr vereinfacht gesprochen, Pfeife für Pfeife in eine Klangbibliothek (sample set) eingepflegt, die sich in den Arbeitsspeicher eines Rechners hochladen läßt. Dieser wiederum ist per MIDI-Kabel mit einem normalen Orgel-Spieltisch verbunden (in meinem Fall eine zweimanualige Digitalorgel, deren eigene — qualitativ minderwertige — Klangerzeugungsmöglichkeiten aber nicht genutzt werden, sie liefert wirklich nur die Manual- und Pedalklaviaturen). Der Spieltisch der realen Orgel wird auf dem Bildschirm des Rechners wiedergegeben, die Registerzüge lassen sich per Mausklick betätigen. Das Ganze hat in wenigen Jahren einen atemberaubend hohen Standard erreicht. Nicht der geringste Vorzug des Systems ist die Möglichkeit, die hochgeladene Klangbibliothek einfach zu wechseln. Man kann so Orgeln aus verschiedenen Epochen und verschiedensten „Orgellandschaften“ spielen, darunter sehr berühmte, an deren Tasten man als Normalsterblicher sonst kaum herankäme.
Auf meinem Youtube-Kanal finden sich von mir eingespielte Tonaufnahmen. Vielleicht übersichtlicher sind die zu dieser Seite gehörigen Unterseiten. Sie bieten Links zu Playlists auf dem Kanal, die verwandte Videos zusammenfassen, sowie einen nach Gattungen bzw. Ländern organisierten Gesamtkatalog.
An ambitious but hardly outstanding student of the piano, I found myself playing the organ more or less by accident — and, alas, too briefly. Sixteen years old, at the time I was an exchange student at Phillips Academy, Andover (Massachusetts). The shool then had an organ built in 1927 by Casavant Frères (St-Hyacinthe, Québec). Originally in the school’s main assembly hall and opened by Louis Vierne, the instrument was transferred to the new school chapel (church would be a more appropriate term — here is an interior view) after plans for another new organ were dashed by the world economic crisis. The style of the instrument having gone out of fashion, in later years it suffered neglect and decay. The school organist, Carolyn Skelton, hated the semi-derelict late-romantic monster and wanted to get rid of it. Which a few years later she did; it was replaced by a much smaller new organ (27/II+P) of essentially neo-baroque inspiration. But in 1978 I was still taught by her (my only organ lessons ever) on the giant Casavant, which I am pleased to learn has found a new home in Minnesota, complete with a new case (the old one was reused at Andover). Of the more than one hundred stops of the Casavant organ (on four manuals plus pedals), in the 1970s only perhaps two thirds were actually working, but even so it was possible to create quite a bit of more or less uplifting noise.
Back in Germany there was no easy way to continue playing the organ; in fact eventually I stopped touching any keyboards at all. Not least because I knew that otherwise I would inevitably spend too much time with them. But then I acquired an electronic keyboard a few years back, and it had exactly that effect, as well as leading to further acquisitions. The great thing is that in order to play the organ today you do not need a church any more. There is Hauptwerk (the software). Put too simply, the sound of a real organ is recorded pipe by pipe to form a so-called sample set, which can be loaded into the random access memory of a computer. This is connected via MIDI cable to an ordinary organ console (in my case a two-manual digital organ, whose own, inferior means of producing sound are, however not used, it really serves only to provide the necessary keyboards). The console of the real organ is shown on the computer screen, the stops can be operated by clicking on them. Within the space of only a few years the whole thing has become incredibly sophisticated. Not the least advantage of this system is that it is easy to change the active sample set. This enables you to play organs from different centuries and from different organ-building traditions, among them very famous instruments that as an ordinary mortal you would not normally be allowed to touch.
My Youtube channel features recordings that I have made with Hauptwerk. The subpages belonging to this web page may provide a more convenient overview. They have links to different playlists grouping related videos on the channel as well as offering a complete catalogue organised thematically and/or by country.
Lieber Andreas Osiander,
gerade habe ich ihren YouTube-Kanal abonniert.. mir gefällt die Musikauswahl und auch Ihre Art des Spiels ausgezeichnet!
Ich schreibe auch deshalb, weil ich in Bezug auf die Orgel einen ähnlichen Lebenslauf aufweisen als Sie: Bj. 1961, ab 9 Jahren 10 Jahre Klavierunterricht, dann 1 Jahr Orgel, dann D Prüfung, dann nix mehr (siehe: zu zeitintensiv!) Corona brachte mich nach 40 Jahren Gott sei Dank wieder ans Instrument und jetzt nehme ich mir die Zeit! Zwar habe ich das Glück, die Kathedrale der Provinz bespielen zu dürfen, doch interessiert mich eine Hauptwerkgeschichte zu Hause sehr. Hätten Sie vielleicht Links oder Informationen, wie man sich dieses einrichtet, was man braucht und was es kostet? Mein Orgellehrer kann mir da leider nicht weiterhelfen. Vielen Dank im voraus, mit herzlichen Grüßen, Silke Faass